06/10/2025 · vor 3 Stunden

Renault Sport Spider: Die radikale Abnormität im Fahrbericht

Es gibt Autos, die sind eigentlich zu absurd, um wirklich zu existieren. Und dann stehst du plötzlich vor ihnen und musst feststellen: Es gibt sie wirklich!

Oft sind das Fahrzeuge aus Kleinserienproduktionen, wie der Donkervoort F22 oder unerreichbare Hypercars wie der Koenigsegg Jesko. Doch einmal alle paar Jahrzehnte kommt ein Autogigant wie Renault daher und denkt sich: 'Komm, watt solls. Wir machen dat einfach!' (Jaja, so sprechen unsere lieben Nachbarn in Frankreich) und erschaffen ein Auto wie den Renault Sport Spider.

Bildergalerie: Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht
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Erstaunlicherweise ist Renault ganz weit vorne, wenn es um wilde Fahrzeugkonzepte geht. Das zeigt eben nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft mit dem Renault 5 Turbo 3E.

Der jetzt vor uns stehende 30-jährige Jubilar soll Mitte der 1990er-Jahre den Formel-1-Fans im Rahmenprogramm mit ein paar lustigen Renault-Sport-Spider-Trophy-Rennen die Zeit zwischen den Sessions vertreiben. Doch das Auto ohne Windschutzscheibe kommt so gut an, dass die Franzosen an einer Straßenversion basteln.

Schnelle Daten Renault Sport Spider (1995-1999)
Motor 2,0-Liter-Vierzylinder-Benziner, 16V (Heckantrieb)
Leistung 108 kW (147 PS)
Drehmoment 185 Nm
Beschleunigung 6,9 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 215 km/h
Gewicht 930 kg (965 mit Windschutzscheibe)
Exemplare 1.493 Stück
damaliger Neupreis 56.800 DM (55.400 DM ohne Scheibe)

So entstehen zwischen 1995 und 1999 1.493 Sport Spider – Anfangs noch ohne Windschutzscheibe, später mit, da einige Märkte die Zulassung ohne verwehrten. Alles zur Geschichte der französischen Windflunder lesen Sie hier bei meinem geschätzten Kollegen "Ikonenbrandt". Wir steigen jetzt einfach ohne Umschweife in das Gefährt aus Gitterrohrrahmen, Motor und Kunststoffkarosserie.

Frankenstein lässt grüßen

Doch Türgriffe sucht man am Renault Sport Spider vergeblich. Glücklicherweise gibt es kein Verdeck und keine Seitenscheiben, sodass die Scherentüren leichtgängig mit einem gezielten Griff von innen geöffnet werden können.

Ich lasse mich in die Recaro-Sportsitze fallen und sehe ... Renault-Regalkomponenten spartanisch zusammengetackert auf Aluminiumgrund. Das Lenkrad, der Lenkstockhebel, der mittig platzierte Digitaltacho und der kleine Kontrolleuchteneinsatz auf der Mittelkonsole vermitteln Vertrautheit. Das gab es genau so auch in Megane, Laguna, Espace und Co.

Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

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Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

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Fotos Von: Motor1.com Deutschland

Meine Füße treten jedoch auf blankes Alu. Beim Hineinplumpsen in den Sport Spider muss zudem ein breiter Teil des offenliegenden Gitterrohrrahmens überwunden werden. Das hier ist Motorsporttechnik gepaart mit Massenware – wild! 

Ansonsten glänzt der Franzose eher mit Abwesenheit von Komponenten: Kein Radio, keine Lüftungsdüsen, keine Heizung, keine Servolenkung, kein Bremskraftverstärker. Und bevor Sie fragen – nein auch kein ABS, ESP oder sonstiges Gedöns. Wer es warm haben will, muss an sonnigen Tagen unterwegs sein oder den Zweiliter-Sauger im Rücken ordentlich warm fahren. Alles hier ist der Gewichtsreduktion zum Opfer gefallen.

Was nicht da sein muss, ist auch nicht da! Immerhin hat "unser" Spider eine Windschutzscheibe. Wobei auch die nicht verhindert hat, dass ich mir die Haarordnungs-Session am Morgen hätte sparen können. Eine Art Frunk befindet sich unter der wuchtigen Fronthaube.

Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

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Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

Fotos Von: Motor1.com Deutschland

Aber machen Sie sich keine Hoffnungen, da geht ebenfalls nicht viel rein. Ein Wochenendausflug muss ebenso spartanisch angegangen werden, wie die Ausstattung des Spiders. Zudem bräuchten Sie am Zielort dringend eine Garage, sonst nimmt ihnen die provisorische Abdeckung für das Cockpit den Platz.

Radikal freundlich

Ein radikal reduziertes Auto, das sich im Gegensatz zu vielen anderen Vertretern mit seinen Regentropfenkulleraugen traut, komplett freundlich dreinzublicken. Ansonsten ordnet das absurde Gefährt auch seine Optik der Funktion unter: Ein massiver Überrollbügel, wuchtige Lufteinlässe, runde Leuchten am Heck. Bedeutet insgesamt: 965 Kilogramm inklusive Windschutzscheibe – 930 waren es ohne.

Dennoch schreit alles am Renault Sport Spider nach purer Fahrfreude, nach gemeinsamen Erleben. Nach windiger Erkundung der Umgebung, weniger jedoch nach egoistisch abgeschotteter und aggressiver Leistungspotenz.

Letzteres würde auch gar nicht zu ihm passen. Schließlich kommt dieses außergewöhnliche Auto mit einem 2,0-Liter-Benziner und 147 PS, der aus dem Clio Williams stammt, beispielsweise aber auch im Megane eingesetzt wurde – klassische Regaltechnik eben.

Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

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Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

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Fotos Von: Motor1.com Deutschland

Und so erntet der flache Franzose mit seiner strahlenden und klassisch in gelb-schwarz gehaltenen Renault-Sport-Lackierung nur freundliche Blicke vom Straßenrand – wenn auch nicht annähernd so viele, wie sein zehn Jahre älterer unscheinbarer Kollege Renault 5 GTL.

Vom Formelsport auf die Straße

Vornehmlich für den Rennsport entwickelt, ordnet der Renault Sport Spider alles dem Erlebnis Straße unter. Der Fahrzeugboden aus zwei Zentimeter dickem Polypropylen und eine Höhe von 1,25 Meter verschaffen dem Sonntagsauto einen äußerst tiefen Schwerpunkt. Durch den Mittelmotor stimmt die Balance auf einem Radstand von bloß 2,34 Meter punktgenau. Angetrieben wird der Wirbelwind über das Heck.

Kurz über dem Asphalt sitze ich in der Mitte des Autos. Vorn doppelte Dreiecksquerlenker, hinten ein Dreiecksquerlenker plus Längslenker. Die vorderen Federbeine liegen horizontal und quer zur Fahrtrichtung, hinten wurden sie vertikal und in Fahrzeuglängsrichtung eingebaut. Die Inspiration stammt direkt aus dem Formelsport. Querstabilisatoren mit jeweils 16 Millimetern Durchmesser verringern die Seitenneigung.

Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

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Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

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Fotos Von: Motor1.com Deutschland

Das Ding ist direkter als wir hier im Pott "Samma!" raushauen können. Gefühlt weiß der Sport Spider schon vorher, was die Fahrerin vorhat und freut sich schelmisch auf das kommende Manöver. Für so Autos wie ihn wurde das Wort agil erfunden. Und während wir durch das Rheinland kurven, vergesse ich, überhaupt jemals eine Heizung oder ein Radio im Auto gewollt zu haben.

Hier wird nicht gefahren, hier wird gearbeitet

Volle Konzentration auf die Straße, das Auto und die Landschaft. Das hier ist Arbeit ... aber Arbeit aus Leidenschaft. Alles will getreten oder gerissen werden. Beim Fahren des Sport Spider bin ich froh, bereits knapp 4.000 Kilometer in diesem Jahr mit dem Rennrad zurückgelegt zu haben. Denn Kupplung und Bremse benötigen Kraft – sogar das Gaspedal fordert einen gewissen Druck, um überhaupt zu reagieren.

Das Fünfgang-Schaltgetriebe braucht nicht nur gutzuredende Worte, es fordert pure Gewalt, um den nächsten Gang einlegen zu können. Handgerissen war noch nie so treffend! Und dann geht die freudige Sause weiter. Bremsen, rein in die Kurve, Scheitelpunkt, Gas, Grinsen. Und der Spider? Schlängelt sich eleganter durch die Kurven als Dariusz Wosz (die einstige Zaubermaus des VfL Bochum) durch verzweifelte Abwehrreihen.

Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

Renault Sport Spider (1995-1999) im Fahrbericht

Renault Sport Spider (1995-1999)

Renault Sport Spider (1995-1999)

Bei unter 1.000 Kilo reichen zwei Liter, 185 Nm Drehmoment und 147 PS völlig aus. Angeben können andere. Wir haben Spaß – wir genießen. Keine Dämmung, ungeschützt im Wind. Der Sport Spider klingt unterwegs dennoch wie ein Großer. Freudig brummend meldet der Sauger den unentwegten Fahrspaß zurück.

Mit dem Sport Spider unterwegs zu sein, heißt die Straße zu spüren. Jedes Kieselsteinchen, jede Fahrbahnmarkierung – im ganzen Körper! Dieses reine Spüren des Autos erleben Sie sonst nur in Rennwagen oder ähnlichen Leichtgewichten. Die kosten aber auch wesentlich mehr.

Wenn der Franzose wollte und die Gegebenheiten es zulassen, geht es von 0 auf 100 km/h in 6,9 Sekunden – 215 km/h in der Spitze. Mir reichten zwischenzeitliche 140 km/h auf der Autobahn völlig. Denn sein Lieblingsgebiet ist die Landstraße oder die Rennstrecke. Bei mehr Geschwindigkeit fliegt Ihnen vermutlich auch mit Windschutzscheibe der Kopf weg. 

Mehr ist Luxus, mehr kostet Gewicht. Sowas brauchen wir hier nicht! 

Am Ende ist es in der Autoindustrie wie im echten Leben. Abnormitäten verleihen Spannung und Profil. Zu einem Sport Spider würde ein Wirtschaftsweiser nie ja sagen, weil er weder wirtschaftlich sinnvoll noch praktisch ist. Dennoch sagt ein solches Auto viel aus. Marken, die sich was trauen, stärken mit völlig irrationalen Fahrzeugen wie dem Renault Sport Spider ihre Wahrnehmung. Vermitteln Kreativität und Freude am Entwicklungsdrang. Sie schärfen das Profil. 

Etliche Konzernchefs sollten sich auch 30 Jahre später noch genau in dieses Auto setzen, eine Runde fahren und sich danach eine gewaltige Scheibe von Renault und dem Sport Spider abschneiden. Denn die Franzosen wiederholen dieses Kunststück gerade erneut mit dem angesprochenen Renault 5 Turbo 3E, der weitere Faszination streut und den Geist des Entdeckertums im E-Bereich vermittelt.

Wenn auch Sie den Frankenstein aus Massenfertigung und Motorsporttechnik erleben wollen, brauchen Sie mindestens 40.000 Euro, etwas Glück und eine Garage. 

Source: Renault Sport Spider: Die radikale Abnormität im Fahrbericht

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