Opel Ascona 400 Basis (1981) im Fahrbericht: Onkel Walter

Früher passten die Modellnamen bei Opel irgendwie zur Kundschaft: Ascona zum Beispiel. Beliebt als Urlaubsziel und Familienkutsche der Mittelschicht. 1975 (also vor 50 Jahren) präsentierte Opel die zweite Generation des Ascona. Der Ascona B legte in allen Dimensionen zu, schließlich war sein Vorgänger eigentlich als Kadett geplant: rund 20 Zentimeter länger, vier Zentimeter breiter und mit einem Radstand, der um fast neun Zentimeter wuchs.
Das kam in erster Linie den Passagieren zugute, die mehr Bein- und Schulterfreiheit genossen. Dazu boten neu entwickelte Vollschaumsitze mit verstärktem Seitenhalt und guter Dämpfung spürbar mehr Komfort. Auch fahrdynamisch legte der Opel Ascona zu. Der verlängerte Radstand, eine verbreiterte Spur vorne wie hinten sowie längere Federwege sorgten für ein ausgewogenes und sicheres Fahrgefühl – beim letzten Ascona mit Hinterradantrieb.
Bildergalerie: Opel Ascona B (1975-1981)








Auch optisch schlug die zweite Generation einen neuen Weg ein. Die Formen wirkten glatter und sachlicher, ganz im Zeichen der Effizienz. Trotz vergrößerter Stirnfläche gelang es, den Luftwiderstand zu senken, was nicht nur den Verbrauch reduzierte, sondern auch die Windgeräusche. Eine niedrigere Gürtellinie und um 20 Prozent größere Glasflächen verbesserten zudem das Raumgefühl, die Rundumsicht und damit die Sicherheit.
Dass Opel-Ingenieure schon damals auf Details achteten, zeigt sich etwa im Cockpit: Das speziell geformte Deckglas der Instrumente verhinderte störende Lichtreflexe – ein kleines, aber wichtiges Plus für Alltagstauglichkeit und Bedienkomfort. Aber was heißt hier alltagstauglich? Rüsselsheim konnte auch ganz anders.
Ab August 1979 brachte Opel mit Blick auf den Rallyesport eine heiße Version des Ascona auf den Markt. Die für die Homologation erforderliche Stückzahl bestimmte die Bezeichnung: Ascona 400. Der Wagen verfügte über ein Getrag-Fünfganggetriebe; die hintere Zentralgelenkachse wurde durch die im Rekord E und Commodore C eingesetzte Starrachse mit vier paarweise gleich langen Längslenkern und Panhardstab ersetzt.
Bildergalerie: Opel Ascona 400 Basis (1981)








Angeboten wurden mehrere Tuning-Kits in verschiedenen Leistungsstufen, bezeichnet als Phase I bis III. Die Basis bildete ein 106 kW (144 PS) starker 2,4-Liter-Vierventiler mit Querstrom-Zylinderkopf und L-Jetronic. Sein Block stammte eigentlich vom 2,3-Liter-Diesel ab und wurde bei Cosworth in die Mangel genommen. Auch das Fahrwerk hatte man beim Ascona 400 modifiziert und straffer abgestimmt.
Eigentlich sollten die zur Homologation nötigen 400 Stück bis Mitte 1979 gebaut sein, es entstanden aber nur 268 Einheiten. Auf Wunsch mit Zierstreifen in den Opel-Farben schwarz-gelb-grau. Die bei diesem schlichten Exemplar jedoch fehlen. Laut Opel-Classic-Chef Leif Rohwedder handelt es sich um den vielleicht einzig erhaltenen Ascona 400 in der Basis-Ausführung. 1981 vom Werk einfach in die Ecke gestellt, nachdem die 400 Exemplare endlich fertig waren.
Denn einen Ascona 400 mit Straßenzulassung konnte theoretisch jedermann kaufen, wenn er 29.990 Mark anno 1981 lieber in so etwas statt einen respektablen Opel Senator investieren wollte. Das Resultat wirkt 44 Jahre später eher wie der aufgemöbelte 1600er-S-Ascona von Onkel Walter statt des WM-Autos von Walter Röhrl.

Opel Ascona 400 Basis (1981)

Opel Ascona 400 Basis (1981)

Opel Ascona 400 Basis (1981)
Apropos Walter: Nach dessen EM-Titel auf Ascona A und ersten Erfolgen in der Rallye-WM trennten sich 1977 die Wege von Röhrl und Opel. Doch die größte gemeinsame Geschichte sollte erst noch geschrieben werden – mit dem Ascona 400.
1982 kehrte Röhrl zu Opel zurück. An seiner Seite nun Christian Geistdörfer, während Jochen Berger das Team als Manager unterstützte. Der entscheidende Trumpf aber war das Auto: der Opel Ascona 400. Entwickelt unter der Leitung von Cheftechniker Karl-Heinz Goldstein, galt der Hecktriebler als eines der zuverlässigsten Fahrzeuge seiner Zeit.
Der 2,4-Liter-Vierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen, 16 Ventilen und Weber-Vergasern leistete bis zu 260 PS, das Getrag-Fünfganggetriebe mit Sperrdifferenzial brachte die Kraft auf die Hinterachse. Mit einem Gewicht von rund 1.050 Kilogramm, Bilstein-Fahrwerk, Scheibenbremsen rundum und regelbarer Bremskraftverteilung war der Ascona 400 ein präzises, robustes Arbeitsgerät – gebaut, um Rallyes zu überstehen und zu gewinnen.


So wurde der Ascona 400 zur "Cinderella" der Rallyeszene: weniger glamourös als die italienischen Konkurrenten, weniger technologisch aufwendig als die allradgetriebenen Audi – und doch die Basis für einen der größten Rallye-Erfolge aller Zeiten. Röhrl, Geistdörfer und der Opel Ascona 400 schrieben 1982 ein Kapitel, das bis heute unvergessen ist.
Der große Auftritt kam gleich zum Saisonauftakt bei der Rallye Monte Carlo. Zum 50. Jubiläum des Klassikers stellte sich Röhrl den favorisierten Audi quattro mit Allradantrieb entgegen. Vor der letzten Nacht lag er nur 31 Sekunden vor Hannu Mikkola, doch am Col de la Madone entschied er alles: Röhrl fuhr die Passage am Limit, brach den Widerstand seines Rivalen – und gewann zum zweiten Mal die Monte, erstmals mit Opel. Ein perfekter Start in die siegreiche WM-Saison 1982.
In den französischen Seealpen war ich mit dem Basis-400er natürlich nicht unterwegs, sondern im Rahmen der CDE Classic Days am Rothaarsteig an der Grenze zwischen Hessen und Nordrhein-Westfalen. Und mit der Bitte der Opel-Jungs, doch bitte lieb zu diesem Auto zu sein. (Mein italienischer Kollege Andrea Farina hat es etwas mehr krachen lassen, wie Sie im obigen Video sehen können.)
So steige ich ein. Meine Blicke wandern von den sehr kleinen Außenspiegeln über das maximal sachliche Cockpit. Auch das könnte jeden anderen Ascona B zieren, vom Sportlenkrad vielleicht abgesehen. Erst als mein Blick auf den Schalthebel fällt, stocke ich. Aha, erster Gang links unten. Merk Dir das gut, schärfe ich meinem Großhirn ein.

Opel Ascona 400 Basis (1981)

Opel Ascona 400 Basis (1981)

Opel Ascona 400 Basis (1981)
Und fahre los. Bereits bei der Langsamfahrt spüre ich: Hier steckt kein Bauernmotor unter der Haube. Diese Maschine will Auslauf, braucht Drehzahl. Kein Ackergaul, sondern ein Rennpferd. Nach dem Ortsausgang schalte ich in dem enorm präzisen Getriebe einen Gang zurück. Die Patrone ist quasi drin. Jetzt ordentlich Gas. HOLLADIO! Der elastische 2,4-Liter jodelt wie Gitti und Erika in ihren besten Zeiten. HEEEEEIDIIIII! Deine Welt sind die Berge! Oder nüchtern-hessisch: Zweihunnertzehn Newtonmeter bei 3.800 Umdrehungen.
Aber ich bleibe im Bereich der Mittelgebirge, wohlwissend, es ginge noch mehr: Gelber Bereich bei 5.800, roter Bereich bei 6.500 U/Min. Auch das wäre für die gut ansprechende Lenkung und das straffe Fahrwerk wohl kein Problem. Straff natürlich im Vergleich zu einem Serien-Ascona-B, nicht im Sinne eines 911 GT3. Doch das Engelchen auf der Schulter flüstert mir: Sei Pittiplatsch, der Liebe. Denk an die Opel-Jungs und die weiße Mauritius unter deinem Hintern! Recht hat es.
Ein originaler Opel Ascona 400 ist nämlich praktisch nicht mehr zu bekommen. Sie werden (das nötige Kleingeld vorausgesetzt) einfacher an einen Porsche 959 kommen. Oder erschrocken ausrufen: Mein Gott, Walter!